Szenen der Protagonisten

2044_Jack_Agent_juenger

Jack Markus McGaller

ISA Fahnder und MMA Kämpfer

Durch die dröhnende Qual hörte ich mich selbst aufstöhnen, wie ein schmerzhaftes Donnern in meinem Innern; meine Ohren summten unheilvoll, mein Gehirn schien mir verflüssigt in meinem Schädel zu schwimmen. Heilige Scheiße! Langsam, ganz langsam, Jack! Obwohl das Kopfschmerzmonster unter meiner Schädeldecke Amok lief, schob ich mich mit vorsichtigen Bewegungen Richtung Bettkante. Mir wurde übel vom Schmerz. Das Stechen und Brennen drückte auf meine Augen und verursachte Schwindel, als ich mich in Zeitlupe erhob, um hinüber ins Badezimmer zu gehen. Dort erbrach ich mich, was den Schmerz allerdings nur mäßig senkte. Ich konnte mich nicht erinnern, dass mir etwas Derartiges schon einmal widerfahren war. Als ich anschließend meinen Mund ausspülte, fiel mir auf, dass ich aus beiden Nasenlöchern blutete. Ich wusch mir das Gesicht. Das Nasenbluten schien mir nicht sehr stark zu sein, daher machte ich mich auf die Suche nach einem Schmerzmittel. Im Erste-Hilfe-Kasten fand ich starke Schmerztabletten, deren Mindesthaltbarkeitsdatum zwar schon abgelaufen war, doch das war mir im Moment egal. Ich nahm zwei Stück und spülte sie mit zwei Gläsern Wasser hinunter. Konnte ein Alptraum solche Kopfschmerzen auslösen? Das erschien mir unsinnig. Bemüht, ruhig zu atmen und meinen Kopf so wenig wie möglich zu bewegen, ließ ich mich mit einem Stück Toilettenpapier auf dem Stuhl neben der Badewanne nieder, um das Nasenbluten zu stillen. Das Rasen in meinem Kopf war noch immer unerträglich. Derweil stellte mein Geist Fragen: Wie ich in diesem Zustand zur Arbeit gehen solle, und was es zu tun galt, wenn es nicht besser wurde etc. Womöglich war ein unbemerkter Tumor dafür verantwortlich …?! Ich würde den Tabletten zehn Minuten geben. Wenn sie dann nicht wirkten, würde ich beim Pharmakonzern anrufen und mich beschweren und dann ins Krankenhaus fahren. Die Hitze und die Übelkeit ließen in den folgenden Minuten langsam nach. Wahrscheinlich war ich einfach überarbeitet. Ich schloss die Augen, um nicht zu weinen ob dieses erbärmlichen Zustands. Mein Hirn wummerte, meine Fingerspitzen kribbelten– möglicherweise eine Nebenwirkung der Tabletten, die eigentlich für Kopfschmerzen völlig überdosiert waren und dass ich kein Licht benötigte. Auf dem Sideboard gegenüber vom Bett stand ein Foto von Angelika und mir. Normalerweise beachtete ich es kaum, jetzt aber ging ich hinüber und nahm es hoch. Meine Finger waren ziemlich taub, Tränen schossen mir in die Augen. Ihr Todestag würde sich bald zum dreiundzwanzigsten Mal jähren. Ich hatte sie verloren, weil ich zu spät gekommen war, einfach nur zu spät. Wir waren zum Kabarett verabredet gewesen, und ich hatte die Zeit verschusselt. Als ich sie anrief, um ihr zu sagen, dass sie vorgehen solle und dass ich dann zur Pause nachkäme, war sie bereits mit dem Crystal-Junkie aneinandergeraten, der sie abstach, als sie sich gegen seinen Übergriff wehrte. Wäre ich dabeigewesen, hätte er sich ihr nicht einmal genähert, das war völlig klar, und auch wenn ich im engeren Sinne nicht schuld war, so war es doch eine Bürde, die ich seither trug – zu wissen, dass sie noch leben würde, wäre ich disziplinierter gewesen. Aber ich war eben der kleine Bruder, der schräge Aussteiger, siebenmal in Folge OFC-Weltmeister, hochdotierte Preisgelder, unternehmungslustig, Draufgänger, Feten und Freundinnen ohne Ende, teure Eventkarten bezahlen kein Thema. Angelika hätte mir mein Zuspätkommen verziehen, wie sie ihrem kleinen wilden Bruder immer alles verzieh, das war klar, und ich war mir auch sicher, dass sie sich wünschen würde, dass ich mir selbst mein Versäumnis verzieh. Nur: Ich konnte nicht. Seit dreiundzwanzig Jahren konnte ich es nicht.

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2044_Mizuee_dystopie_assassine_

Mizuee Chesuma

Assassine und Staatsfeind

»Wir sollten die Tatsachen Ihrer gegenwärtigen Situation wirklich rational betrachten«, begann ich mit ruhiger Stimme.
Phantomiac warf mir einen kurzen, scharfen Blick zu, und ich ahnte, hätte sie nicht soeben den Mund an der Flaschenöffnung, würde sie mir irgendetwas an den Kopf werfen. Und wenn ich mich darin nicht täuschte, dann war es ein gutes Zeichen, da es bewies, dass Phantomiac nicht vollständig abgestumpft war gegen kommunikative und emotionale Mechanismen.
»Meine Abteilung hat Sie mit einem Scharfschützengewehr an einem der Öffentlichkeit nicht zugänglichen Ort angetroffen. Sie sind vor uns davongelaufen und haben sich gewaltsam unserem Zugriff widersetzt, indem Sie Mitglieder meines Team mutwillig verletzt haben. Das alles sind Straftaten, die im Minimum mit drei bis fünf Jahren Freiheitsentzug geahndet werden, je nachdem, ob Sie im Besitz eines Waffenscheins sind und ob Ihre Waffe zugelassen ist oder nicht«, führte ich sachlich aus. Phantomiac hatte die nahezu leere Flasche heruntergenommen, ihr Blick ruhte unbeirrt auf mir.
Da ich den Umgang mit derartigem Verhalten aus den Verhören gewohnt war, fuhr ich gefasst fort: »Natürlich kann ich verstehen, dass Sie Vorbehalte haben, nicht zuletzt wegen der Auseinandersetzung mit mir. Trotzdem muss ich Sie bitten, sich zu vergegenwärtigen, dass unkooperatives Verhalten zu Missverständnissen und Fehlinterpretationen führen kann und dass es sich vor Gericht negativ auswirken wird.«
Wieder hob Phantomiac eine Augenbraue. Dieser Zug in ihrer Mimik war zuvor nicht sehr häufig aufgetreten, und ich war gespannt, was nun kommen würde.
»Möchten Sie damit ausdrücken, dass ich vor Gericht Ihrem Goodwill ausgeliefert bin, wenn ich mich jetzt nicht kommunikativer verhalte?«, fragte sie ebenso sachlich, und nur eine Spur von Ironie umkleidete dabei dezent ihre Worte.
»Ich möchte Ihnen damit sagen, dass Sie sich in einer schwierigen Lage befinden und dass wir Ihnen helfen können, wenn Sie mit uns zusammenarbeiten«, erwiderte ich freundlich, den Blick dabei nicht von ihr lassend.
»Sie meinen die Art von Hilfe, die impliziert, mich in eine Zwangsjacke zu stecken?«, fragte sie weiter, nun im Tonfall deutlich unterkühlt.
»Das ist lediglich auf den Teilaspekt der Vorschriften zur Sicherstellung in Gefahrenlagen bezogen gewesen. Es ist Vorschrift, ein Verdachtssubjekt darüber in Kenntnis zu setzen«, schnitt ich ihren Einwand gelassen ab.
Derlei Gezeter gehörte zu den gängigen Verhaltensweisen bei Verhafteten. Yínxìng starrte mich für einen Moment böse an, dann wandte sie den Blick ab, schloss die Augen und schien mich auszublenden. Ihr stummer Protest, der vermutlich der Ansatz zu einer meditativen Übung war, gab mir Gelegenheit, sie genau anzuschauen.
Ihr geschwollenes Auge hatte sich mit erstaunlicher Schnelligkeit wieder geöffnet, und auch jenes sonderbare Phänomen ihrer Knochen, das Kassandra beschrieben hatte, schien gut zu ihren sehr ausgeprägten Selbstheilungskräften zu passen. Ich gab mich einen Moment lang einer verwegenen Überlegung hin, die mir bereits in Kassandras Büro gekommen war. Innerhalb der ISA und auch innerhalb unserer Abteilung kursierten schon seit langem Gerüchte von Versuchsreihen einer anderen Unterorganisation der ISA, die sich mit der Manipulation, oder wie die Wissenschaft es ausdrücken würde: dem Tuning gewisser Bausteine im menschlichen Genom befasste, um einzelne Merkmale des Körpers gezielt zu optimieren. Wahrscheinlich war ich übermüdet und hatte neulich an meinem freien Wochenende, das ich allein zu Hause auf der Couch verbracht hatte, zu viele schlechte Science-Fiction-Filme gesehen, aber irgendwie passten viele Eigenschaften, die ich bei Yínxìng bemerkte, in das Konzept, dass spezielle Teile ihrer DNA nachbearbeitet worden waren. Allerdings hebelte die Tatsache, dass sie sich gegen die GCA gewandt hatte, diese Theorie ziemlich aus. Wobei man nie wusste, wer an derlei Dingen forschte und möglicherweise mit einer Person wie Phantomiac etablierte Strukturen auf die Probe stellen wollte. Viele B-Zonen waren gut erschlossen und zivilisatorisch und technisch nicht derart verwildert wie die NRZ.
Plötzlich regte sich Yínxìng, und im nächsten Moment schlug sie die Augen auf und sagte mit Blick auf die Tür: »Im Waisenhaus hat man mir den Namen Ayzuna gegeben, er bedeutet wohl etwas wie Goldregen«, berichtete sie zögerlich.
Es war mir absolut nicht möglich, auszumachen, ob sie mich mit dieser Geschichte hinters Licht führen wollte.
Daher lächelte ich, weil ich diese Reaktion für die unverfänglichste hielt.

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Mizuee biss unwillkürlich auf ihre Unterlippe, nicht länger im Stande, die Erinnerung an jene schreckliche Nacht aus ihren Gedanken auszusperren.
„Nua hat es mir erst vor zwei Jahren erzählt“, fügte Tĩr etwas übereilt an, als er ihren Gesichtsausdruck bemerkte. „Vorrangig weil … weil… ich … Naja, ich hab immer viele Fragen zu dir gestellt, weil ich mir Sorgen gemacht habe. Du hattest dich seit dieser Sache so verändert, warst so in dich gekehrt und …“
„Unzugänglich“, seufzte Mizuee schwer. „Ja, ich weiß.“ Sie drückte seine Hand. „Ich war keine gute Freundin.“
Tĩr zuckte mit einer Schulter. „Jeder hat mal schlechte Zeiten. Wenn ich Mica irgendwann treffe, werd ich ihm dafür richtig eins drauf geben. So was ist doch einfach nur scheiße! Gerade er – als Matak!“, knurrte Tĩr, doch als er den Schmerz in Mizuees Augen bemerkte, verstummte er, obwohl eine ganze Armee an Flüchen gegen die Mauern seinerErziehung anrannte.
„Sorry, wir müssen darüber nicht reden“, sagte er kleinlaut.
„Is’ schon in Ordnung“, erwiderte Mizuee und lächelte leicht bestürzt. „Ich hab das halbwegs verwunden. Es ist ja im Endeffekt nichts passiert, es war nur einfach so ein tiefer Schnitt … Ich meine, ich habe Mica vertraut, mit meinem Leben und meiner Seele … Ich wollte seine Frau werden und dann zieht er so was ab …“ Tĩrs Griff um ihre Hand wurde minimal fester, als er mit einem Seufzen den Kopf in den Nacken legte und tief durchatmete. Mizuee drehte sich und ließ ihre Stirn an seine nackte Schulter sinken. Nach einigen Momenten tief verbundenen Schweigens fragte Tĩr: „Liebst du ihn noch?“
„Ich glaub nicht …“, murmelte Mizuee und sog mit geschlossenen Augen den Geruch seiner hellen Haut ein. Streng genommen war das gelogen, denn sie wusste mittlerweile, dass sie es wider aller Vernunft doch tat.
Aber vielleicht liebte sie auch nur die Erinnerung, war Opfer ihrer wirren Gefühle, die – noch unerlöst durch Rache – in ihr gärten und sich deshalb an eine sinnlose Hoffnung und weltferne Wunschvorstellung hefteten und die Tatsache kategorisch leugneten: Micaele war fort. Der Mann, den sie liebte, existierte nicht mehr und – so kam es ihr wie eine berauschend warme Welle plötzlich in den Sinn –wahrscheinlich war es endlich an der Zeit, ihn final loszulassen und die kahlen schmerzenden Stellen in ihrem Inneren mit etwas in Berührung zu bringen, das gut und ehrlich und … da war.
Sie hob den Kopf.
Zumindest der Möglichkeit sollte sie sich nicht länger verweigern, denn sie war ganz nah, roch vertraut, klang vertraut und ließ sie spüren, wie wertvoll und schön sie war.
Mizuee wusste, dass Tĩr sie liebte, seit er etwa fünfzehn war, und wer vermochte es rückblickend mit Gewissheit zu sagen: Wenn er forscher und entschlossener gewesen wäre, womöglich wäre ihnen beiden damals das Zusammensein beschieden gewesen? Einiges in Mizuees Leben wäre dann mit Sicherheit anders gelaufen.

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2044_Drachenpriesterin

Neffesin Coi Lour

Amtierende Drachenpriesterin Ichindylls

Serfaira hielt ihre feine weiße Nase in den Wind der Gezeiten und sog die bereits verklingende Klage in ihr Bewusstsein auf.

Die Welt fühlt dich, ganz wie du diese Welt immerfort fühlst, dachte Serfaira und lächelte. Dann glitt sie geschmeidig unter den Energieschirm. Sie wusste, auch Dubosan und Unium würden in den nächsten Minuten eintreffen. Sie konnte ihre liebevolle Präsenz bereits spüren.

Doch es kam anders.

Kaum dass sich Serfaira gesetzt hatte, erschien die Drachenpriesterin Nèffèsin Cõi Lŏur zwischen den grün wogenden Farnen, die rings um den Energieschirm wuchsen. Ihr hüftlanges, purpurfarbenes Haar leuchtete wie Magma in der Mittagssonne, und obwohl sie wie alle anderen tagtäglich der Sonne ausgesetzt war, blieb auch ihre Haut hell wie Alabaster.

Sie war weder Mensch noch Elfe oder gar von einem anderen extraterrestrischen Volk. Nèffèsin war Teil der Erde selbst, gerufen und geweiht durch die Macht Khýsírías, dem Ursprung allen bewussten Lebens im Kosmos.

Einst war Nèffèsin ein dunkelhäutiges Mädchen gewesen, die Tochter von Eingeborenen, die auf der kleinen Insel Niihau lebten, doch die Initiation, die Nèffèsin durch die Erde erfahren hatte, hatte ihr gesamtes Wesen vollkommen verändert. Der Geist der planetaren Wesenheit, welche die Eingeweihten auf Kaua’i stets respektvoll bei ihrem Namen – Hådja – nannten, wirkte seit jenem Tag durch sie.

Durch Nèffèsins weißen Körper floss dasselbe Blut, das auch die schlafende Kreatur durchpulste, auf deren gigantischen Flügeln sie alle lebten. Gleichzeitig war Nèffèsins Seele fortwährend an ihren khýsíríschen Ursprung angeschlossen.

Die interdimensionale Verbindung, welche in Nèffèsin wirkte und durch sie sprach, Ma Loo Rah, war eine khýsírísche Wesenheit, deren Aufgabe es war, die Erdenwesen zu unterstützen, indem sie ihnen mit ihrem unbegrenzten Wissen zur Verfügung stand.

~alliajam sandanæ – Heil unser aller Gegenwart ~, grüßte die Drachenpriesterin, als sie unter den schillernden Schirm trat.

Serfaira nickte leicht.

Nèffèsin sah sich selbst gespiegelt im Wesen Serfairas, denn Khýsíría kannte die Anthèpoi, obwohl sie nicht von Beginn an auf der Erde gelebt hatte.

Serfaira hingegen war Teil des Erdendrachens, die Verkörperung eines emotionalen Zustandes aus den frühen Tagen der Erde, als alle Wesen noch miteinander verbunden gewesen waren und in sinnlicher Friedlichkeit zusammenlebten.

Als die Beschaffenheit des Jetzt sich zu verändern begonnen hatte, waren die älteren Anthèpoi zurückgewichen, viele hatten sich aufgelöst, waren verflossen, wie Gedanken und Erfahrungen vergehen, nur einige hatten die Jahrmillionen hindurch überdauert und waren irgendwann feststofflich geworden, denn Hådja brauchte sie. Die noch junge Erde konnte jene gefühlten Erfahrungen nicht entbehren, sie gaben ihr Halt und halfen ihr, zu verstehen, was um sie herum und auf ihrem Körper geschah. Die Anthèpoi waren sowohl Ausdruck ihrer emotionalen Entwicklung als auch Teil ihrer unsterblichen Seele.

Erst mit dem Erscheinen des Wesens Ma Loo Rah in Gestalt der Drachenpriesterin hatte sich etwas Entscheidendes verändert, und die Anthèpoi wusste, dass all dies mit der Prophezeiung und mit dem Wesen zusammenhing, das soeben eine solche Unruhe im morphogenetischen Feld erzeugt hatte.

Serfaira hob ihre großen, sanften Augen zu der Drachenpriesterin empor und flüsterte in ihrem Geist: ~ Die Welt verändert sich. Unsere Tage sind gezählt, Ma Loo Rah.~

 

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Atkin Fenglan

Magier und Unternehmer

Irgendwer hatte die Gegenwart in jene unnatürliche Spannung versetzt, indem er willentlich versucht hatte, das Gefüge der Realität zu verändern. Da waren Mächte am Werk, die das gewaltige Bewusstsein im Magier nicht begriff, Zusammenhänge, die verborgen blieben. Und Ϝҽɑɳ Ưɭɑɑɾ war neugierig, unbändig neugierig. Das Bewusstsein liebte es, die Welt zu durchdringen und alles von ihr in sich aufzunehmen.

Doch momentan herrschte unerhörter Aufruhr. Die überraschenden Ereignisse drangsalierten den Körper des schwarzhaarigen Mannes in ungewohnter Heftigkeit, zerrten gierig an seiner Beherrschung – eine unerbittliche Marter seines vielschichtigen Seins, die auch durch den Jagdausflug kaum gemildert worden war.

Nur sehr langsam hatte der Mocca den Geschmack des Blutes von seiner hochsensiblen Zunge vertrieben, den Geschmack des Zornes, der jedes Blutkörperchen wie ein Film umhüllte, geboren aus jener unerklärlichen Wut, die über Fènglán gekommen war, die ihn mitten in der Nacht in den Gebirgswald getrieben hatte und die ihn sich in wilder Raserei nach der Kehle des jungen Rehs hatte ausstrecken lassen … obgleich er doch wusste, dass sinnloses Töten keine Lösung barg.

Aber das Drachenkind-Raubtier-Mann-Ϝҽɑɳ-Ưɭɑɑɾ-Kollektiv, das sich vor einigen Jahren geformt hatte, lief zuweilen außerhalb des Taktes. Das menschliche Wesen darin verlor dann die Kontrolle über das, was es mittlerweile geworden war, das, was durch den Mann wirkte. Einerseits sehnte sich das Bewusstsein, Ϝҽɑɳ Ưɭɑɑɾ, nach dem Kanal, der die Magie leiten würde, andererseits war es zu gewaltig, um sich der Enge eines schlichten irdischen Geistes unterzuordnen. Und so lebte der Magier beständig im Spannungsfeld aus Besessenheit und Hingabe und der unermesslichen Macht, die er zur Verfügung hatte. Sein Bestreben war es, diese zu erden und mit dem Planeten unter seinen Füßen zu einen … Und das würde ihm nur durch eine einzige Frau gelingen: Mizuee Chésuma Jeny’k Chaçuzi.

Es schien im Grunde schlicht und einfach, denn tagtäglich paarten sich Tausende von Weibchen und Männchen aller Gattungen; doch der Magier und das Mädchen hatten eine etwas komplizierte und emotional verfahrene Vorgeschichte, die alles in ebenjenen Zustand geführt hatte, wie er derzeit herrschte – sie waren getrennt!

In den Zeiten der harmonischen Unbeschwertheit, die ihr Zusammensein zu Beginn bestimmt hatte, war Ϝҽɑɳ Ưɭɑɑɾ seinem Ziel bereits sehr nahe gewesen, doch der Magier hatte sein Vorhaben damals nicht zu Ende führen können.

Sie hatten sich nicht vereint!

Ein Faktum, das tiefe Blessuren im System seines Wesens hinterlassen hatte.

Dieses Ungleichgewicht – vergleichbar mit einem chronischen Schmerz in einem physischen Körper – stiftete Irritation, Manie, Kontrollverlust, und ebnete den Weg für ebenjenen unermesslichen Zorn in dem niederfrequenten Wesensanteil des Menschen, dem dieser in den heutigen Morgenstunden erlegen war.

Ϝҽɑɳ Ưɭɑɑɾ brauchte Ƨἰʒ ӃɋƄɑɑɲ, und somit brauchte Fènglán Chésuma, um vollständig zu sein, um Leben zu geben, Evolution zu betreiben; um zu befruchten, anstatt zu vernichten. Macht braucht den richtigen Raum, ein stabiles Gefäß, sonst kann sie sich zu leicht gegen das Gedeihen wenden.

Das höherfrequente Bewusstsein Ϝҽɑɳ Ưɭɑɑɾ kannte die Spielarten des Ewigen Lebens.

Es war uralt und ursprünglich, es hatte bereits jene Ebene der Erkenntnis im kosmischen Dasein erreicht. Ohne den richtigen Code, der die Macht Ϝҽɑɳ Ưɭɑɑɾs auf gedeihliche Weise mit der Energie der Erde verwob, erwuchs zwangsläufig Zerstörung.

Diesen Code besaß Ƨἰʒ ӃɋƄɑɑɲund nur sie!

Eine Initiation konnte daher ausschließlich durch sie geschehen, denn Ϝҽɑɳ Ưɭɑɑɾ war zu machtvoll und zu neuartig, um direkt in die Struktur der Erde eindringen zu können. Es bedurfte jenes Schlüssels, Ƨἰʒ ӃɋƄɑɑɲ, der Teil von Mizuees Seele war.

Die Erdendrachin war ausgesprochen sensibel, was eine derartige Verschmelzung anging. Sie würde jenen neuen Erfahrungszustand über ihre Flügel erlangen, die sie um sich spannten; jene Erdkrustenhülle, auf der sich das Leben tummelte – dort, wo sich auch Mizuee mit Ƨἰʒ ӃɋƄɑɑɲ aufhielt.

Womöglich waren es Ichìndyll und seine spezielle Schwingung gewesen, die vor Jahren alles derart leicht hatten erscheinen lassen. Die feinstoffliche Energie auf Kaua’i hatte Ϝҽɑɳ Ưɭɑɑɾ beruhigt. Doch das Gleichgewicht, das ganzheitliche Zusammenkommen mit dem menschlichen, materiellen Körper des Magiers war eine Herausforderung gewesen, und an einem markanten Punkt war alles gekippt. Fènglán hatte die Kontrolle über sich verloren und hatte jenes verheerende Unheil verursacht. Mizuee hatte sich abgewandt, und mit ihr war Ƨἰʒ ӃɋƄɑɑɲ zurückgewichen.

Doch da Ƨἰʒ ӃɋƄɑɑɲ den Code darstellte, das goldglänzende Tor, durch welches Ϝҽɑɳ Ưɭɑɑɾ fließen musste, um keine Verwüstung über die Erde zu bringen, war es das größte Bestreben des Magiers, Mizuee wieder in Besitz zu nehmen.

Komplikationen, wo eigentlich keine hätten sein müssen!

Die beiden menschlichen Wesen liebten einander aufrichtig, sie hatten sich einander bereits versprochen, und folgerichtig hätten sie auch ihre Körper miteinander verbunden. Doch als es endlich so weit gewesen war …

Fènglán presste bei der Erinnerung an jene Nacht die Kiefer hart aufeinander. Unbestimmter, düsterer Schmerz floss durch die feinen Adern unter seiner Haut und ließ die Grenze seines physischen Seins pulsieren wie ein Herz, das um jeden Schlag kämpfen muss.

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Der ultimative Anfang ...

40 Seiten

Der Gegenspieler

... aber kein Schwarzweiß